Tourenbuch
07/2018
Airplane Mode
Keyfacts
Airplane ModeDie Idee einer Route ganz rechts an der schönen Kante des Genferpfeilers begleitet mich schon seit Längerem.
Derzeit beschäftigt Roger ein neues Projekt. Am Genferpfeiler erschliesst er eine attraktive neue Route. Sie ist kürzer als die bekannten Routen in der Eigernordwand, jedoch mit der wohl schwierigsten Schlüssellänge. Sie zu klettern erfordert die volle Konzentration, ein Umschalten auf den "Airplane Mode".
Der etwas hervorstehende Genferpfeiler ist in den Kletterkreisen weltweit bekannt. Durch das wunderschöne Lichtspiel von Sonne und Schatten rechts an der Kante ist es der Eyecatcher schlechthin und hat mich schon immer fasziniert. Der Genferpfeiler ist vermutlich der am meisten gekletterte Teil der Eigernordwand, es gibt dort bereits einige moderne Sportkletterrouten. Da die Routen zwar schwierig sind aber nicht über neun Seillängen hinausgehen, ist der Pfeiler unter den Sportkletterern sehr beliebt. Ausserdem ist der Fels sehr gut und der Zustieg kurz. Das Klettern am Genferpfeiler lässt bereits schon ein gewisses Eigerfeeling aufkommen, ist aber noch nicht das richtig typische Eigernordwand-Klettern. Trotzdem werden die Routen zu den Eigerrouten gezählt.
Die Idee einer Route ganz rechts an der schönen Kante des Genferpfeilers begleitet mich schon seit Längerem. Im Sommer 2016 hatte ich dann die Gelegenheit, gleich neben der bekannten Route ‚Deep Blue Sea’ die neue Linie zu eröffnen. Nachdem ich mit Mayan Smith-Gobat die Route ‚Le Chant du Cygne’ geklettert hatte, biwakierten wir am Eigergletscher. Dort befindet sich jeweils mein Basislager, wenn ich für längere Zeit am Eiger beschäftigt bin, man könnte es schon fast mein zweites Zuhause nennen.
Am nächsten Morgen stiegen wir wieder zurück zur Kante des Genferpfeilers. Mayan sicherte mich geduldig und so gelang es mir bis am Abend, die erste Seillänge erstzubegehen. Das Überwinden der Schlüsselstelle verlangte mir alles ab und kostete mich einige spektakuläre Stürze, bis es mir endlich gelang, vom letzten Haken frei kletternd zum lang ersehnten Standplatz zu gelangen. Zufrieden beendeten wir diesen ersten Tag und ich merkte, es wird schwer, es wird gut, es gefällt mir!
"Diese Länge wird vermutlich zu der schwierigsten Länge, die ich je am Eiger geklettert habe."
Trotz des guten Einstiegs wollte ich mir Zeit lassen und kehrte erst einen Sommer später mit Rannveig Aamodt zurück. Wir waren schon überall auf der Welt gemeinsam geklettert und die besagte Kante am Eiger wurde immer wieder zum Gesprächsthema. Rannveig war gerne bereit, mir bei dieser Erstbegehung zu helfen. Trotz Schneeflocken, Graupel und Kälte sicherte sie mich eine weitere Länge. Wir hatten eine super Zeit und genossen dieses Abenteuer. Dort entstand dann auch der Name für die neue Route. Rannveig und ich stellen gerne mal das Telefon ganz bewusst auf "Airplane mode", um ungestörte Tage mit Klettern verbringen zu können.
Später im selben Sommer bot sich nochmals eine Gelegenheit, an der Route zu arbeiten. Ein weiterer Versuch einer Eintagesbegehung der Route ‚La vida es silbar’ war nicht zustande gekommen und so hatte ich Zeit, mich stattdessen meiner neuen Route zu widmen. Dimitri Vogt, ein sehr starker Nachwuchskletterer aus Biel begleitete mich zwei Tage lang und es gelang uns, die Schlüssellänge erstzubegehen.
Die Schlüssellänge ist vielseitig, sehr anspruchsvoll und kühn abgesichert, es gibt nur zwei Bohrhaken in den ganzen 40 Metern. Man klettert über einen sehr steilen Bauch hinauf zu einem Querband. Die Füsse sind in der Luft, da es beinahe ein Dach ist, über das man hinwegklettert. Dort passt als Zwischensicherung der violette Camalot perfekt. Ist dieser platziert, gilt es, die zwingend zu kletternde Schlüsselstelle zu knacken. Nach unzähligen Stürzen ins Seil war alles, was ich an Griffen finden konnte eine Leiste auf links, ein kleiner Riss für zwei Finger auf rechts und eine feine Struktur auf die ich mich kurz abstützte, damit ich mich so weit hoch strecken konnte, wie es nur mit dem gesamten Willen und Wollen gelingt. Bäm! Endlich blieb ich am lang ersehnten Griff hängen. Hier befindet sich nun die zweite und letzte fixe Zwischensicherung in Form eines Bohrhakens. Das Erreichen dieses Griffes kostete mich einen ganzen Tag, alle meine Kraft, meine Fingerhaut und ein Seil. Das brandneue Seil hatte während den vielen Stürzen über den grauen Eigerfels so stark gelitten, dass der Mantel durchgescheuert war und der Kern des Seiles zum Vorschein kam. Noch bevor die Schlüsselstelle überwunden war, musste ich die vorderen zehn Meter des Seiles abschneiden und mich neu einbinden. Nach der Schlüsselstelle führt ein unglaublich schöner und trickreich zu kletternder Kalk-Doppelriss zum Standplatz. Diese Seillänge ist wirklich einzigartig und vermutlich die schwierigste Länge, die ich je am Eiger geklettert bin. Ich schätze sie als ein wenig schwerer ein als 8a+. Vielleicht 8a+/b.
Ausblick
Ich kann mir vorstellen, dass die Route einmal sehr beliebt werden könnte. Der Zustieg ist einfach und die Route sehr schwierig, jedoch nicht so lange, aufwändig und alpin wie zum Beispiel die ‚Odyssee’. Die "Airplane Mode" wird nur über neun Seillängen verfügen. Also ein ideales Ziel für starke Kletterer, die ein kleineres knackiges Eiger-Abenteuer suchen.
Die neue Route bin ich noch nicht Rotpunkt geklettert. Und gerade weil ich die "Airplane Mode" als schwierig und spektakulär einschätze, wird es eine schöne neue Herausforderung werden, sie als Erster Rotpunkt zu klettern. Es ist ein Ziel, das mich sehr motiviert und ein schöner Ausblick in die Zukunft.