Tourenbuch
06/2017
Hotel Supramonte
Keyfacts
Hotel SupramonteDie Geschichte um Hotel Supramonte begann schon vor einigen Jahren. Sie ist nicht rockstar-mäßig und auch nicht cool. Es war einfach nur fucking hard work!
Ich war gemütlich im Urlaub auf Sardinien. Meine Freundin damals war eine solide 6a Klettererin. Und irgendwann mitten in unserem Urlaub brauchte ich ein kleines Abenteuer. Meine Freundin sollte mich im Hotel Supramonte sichern, was für sie ein noch größeres Abenteuer war. Da die Route extrem steil ist und ziemlich hin und her geht, hatte das Nachsteigen spektakuläres pendeln in die gähnende leere zur Konsequenz!
Die obligatorisch zu kletternde Schlüsselstelle in der dritten Seillänge verlangte mir alles ab und war schwer! Während meiner vielen Versuche hätte ich es einmal fast geschafft, den nächsten Haken einzuhängen. Leider rutschte mir dann der Fuß weg und ich endete einmal mehr im Seil fast wieder beim Standplatz! Ich schaffte es also nicht, die Crux der Schlüsselseillänge zu knacken. Jedoch war ich seit diesem intensiven Erlebnis definitiv von der Route inspiriert.
Drei Jahre später, nach einem längeren Aufenthalt in Oliana, wo ich meine erste 8c klettern konnte, kam mir die Idee meine neue Hochform in den zwölf Seillängen der Hotel Supramonte zu testen. Spontan konnte ich die polnische Weltklasseklettererin Alexandra Taistra, welche schon mehr und schwerere Routen als ich realisieren konnte, motivieren, gemeinsam Hotel Supramonte erneut zu versuchen.
Alexandra hatte wenig Erfahrung mit langen abenteuerlichen Routen. Da uns von der Geburtsstunde der Idee bis zum Termin, an dem ich wieder zu Hause sein musste, nur fünf Tage übrig blieben, wurde es eine chaotische Aktion. Spät Abends hatten wir endlich die Fähre gebucht. Wir fuhren los, durch die Nacht, um am nächsten morgen früh in Savona die Fähre nicht zu verpassen. Nach etlichen Red Bulls und, wie sich später herausstellte, auch Speedingtickets, verpassten wir um nur 10 Minuten unsere Fähre. Dachten wir. Als am Schalter des Fährenhafens etwas Klarheit und Ruhe eintraf, verpassten wir zum Glück die falsche Fähre! Den unsere gebuchte Fähre wäre nicht nach Olbia, sondern nach Bastia, sprich Korsika gegangenen! Auf alle Fälle werde ich nie mehr Olbia und Bastia verwechseln.
Noch nie zuvor war ich mit einer mehr motivierten Klettererin unterwegs! Wir standen am nächsten Tag am Einstieg von Hotel Supramonte. Und die nächsten übrig geblieben drei Tage setzen wir alles daran, dieser Route eine roten Punkt abzugewinnen.
Am dritten Tag kamen wir unserem Ziel auch erstaunlich nahe. Nur die fünfte Seillänge brachte uns zum stoppen. Alexandra hatte nach ihren zwei Versuchen bereits einen offenen blutenden Finger. Sie klebte, ohne mit der Wimper zu zucken, kurzerhand ihren blutenden Finger mit Sekundenleim knallhart zu. Ein fettes Tape drüber und sie startete erneut. Leider ohne Erfolg, An der Schlüsselstelle kam mir Alexandra leider zum dritten Mal entgegen geflogen. Ich gab zum letzten mal auch nochmals alles und stürzte nach der Schlüsselstelle mit einem langen Pendelsturz. Ein offenes blutiges Kinn und ein stark gestauchtes Handgelenk, welches mir noch mehre Monate Schmerzen bereitete war das Resultat. Nach einem Trip ins Yosemite rief mich Alexandra super motiviert wieder an: "Roger, come on, let`s try again!" Diesmal buchten wir die richtige Fähre. Ende Juni in Sardinien bei super warmen Temperaturen schwer zu Klettern war jedoch eine dumme Idee. Wir schafften es nicht. Mussten es den Temperaturen oder der fehlenden Kraft schuldig sprechen. Aßen als Trost jedoch viel Gelati, Fisch und auch eine Flasche guten Cannonau Wein.
2017: Wieder durfte ich eine weile in Oliana verbringen. Auch diese Saison gelang es mir ein neues Highlight zu Klettern. Mind Control mit 8c/+ meine aktuelle schwerste Sportkletterroute. Und alles ergab sich zufällig so, dass ich mit Jonas Schild einen super starken und jungen Kletterparten fand, der mit mir nochmals nach Sardinien reiste. Ich holte Mitte Mai Jonas in Bern ab. Er schaffte es gerade so, in mein Auto einzusteigen. Er hatte die ganze Nacht Durchfall und Erbrechen müssen. Müde und unfit kamen wir nach einer langen Fährennacht auf Sardinien an. So viel die Entscheidung leicht: Den ersten Tag werden wir uns in Cala Gonone an den Strand legen.
An den beiden darauf folgenden Tagen gaben wir jedoch ziemlich Gas und Jonas gelang es, wenn nicht im ersten, dann im zweiten Versuch alle schweren Längen zu Klettern. Was super stark ist! Nach einem Ruhetag kletterte Jonas souverän durch die ganzen 12 Seillängen von Hotel Supramonte. Es war inspirierend zu sehen, mit welchem Können und Lockerheit Jonas das ganze meisterte. Ein grosses Kompliment!
Nach einem weiteren Ruhetag kletterte ich nochmals die ersten fünf schweren Seillängen und prägte mir die Schlüsselstellen so gut es ging ein. Am nächsten Tag kam bereits Freund und Kameramann Daniel Bleuer an. Der Plan war, dass Daniel von unserer Kletterei einige Aufnahmen machen würde. Uns blieben von diesem Zeitpunkt noch zwei volle Klettertage bis zu unserer Abreise übrig. Ich setzte alles auf eine Karte und entschied mich am darauf folgenden Tag nur Jonas in den ersten Seillängen zu sichern, damit Daniel von seinem Erfolg einigen spektakuläre Aufnahmen machen kann.
Der nächste, und zugleich letzte Tag erwachte gnadenlos in windstille und unter hochsommerlichen Temperaturen. Ich saß da am Einstieg der Route und betete, dass möglichst bald die brütend heisse Sonne aus der Wand verschwinden würde und ein Wind durch die Schlucht wehen würde. Ich startet aber ohne Wind nachdem die Sonne aus der Wand war. Ich wusste auch, dass ich eigentlich nur ein Chance hatte, die Route frei zu durchsteigen, wenn halbwegs gute Verhältnisse herrschen würden, und das welches ich dort gerade antraf, war alles andere. Erst im dritten Versuch erreichte ich den ersten Stand sturzfrei. In der ersten Seillänge hat es einen alten festklemmten Baumstamm weggespült , über welchen man früher entspannt zum ersten Haken Klettern konnte. Da dieser nun weg ist, gilt es zum starten einen kniffligen Einstiegsbloulder an ausgewaschenem rutschigen Kalkstein zu überwinden. Uffff, es sind ja nur noch elf mehr.
Auch in der dritten, welche zugleich die schwerste Seillänge ist, musste ich zwei Mal antreten. Ich spürte es, es wird ein Kampf. Zahn um Zahn, Auge um Auge. In den drauf folgenden beiden 8a+ Seillängen kämpfte ich mich irgendwie und mehrheitlich mit der 3M Methode ( Murks Machts Möglich ) zum jeweiligen rettenden Standplatz. Innerlich hoffte ich, dass Jonas sagen würde: "Lass uns doch einfach abseilen und ein paar gute Filmaufnahmen machen. Heute sind die Verhältnisse zu schlecht und ich will dich von deinem Leiden erlösen." Jonas liess mich jedoch schweigend weiter kämpfen.
Ich stürzte. Jonas liess mich nochmals zu sich zum Stand herab. Ich war fix und fertig. Mit dem Wissen, dass ich gerade an der letzen Crux aller zwölf Seillängen gescheitert war und eventuell diesen Bouldezug heute nicht mehr hinkriegen werde. Erstens hatten wir nur noch eine halbe Stunde Tageslicht und meine Haut und Kraft waren völlig am Ende. Nochmals startet ich in die 11. Seillänge. Meine Füße taten mir inzwischen bereits so weh, dass ich mich kaum mehr richtig Hinstehen konnte. Nach 30 Metern war ich wieder am Beginn der Boulderstelle, von welcher ich vor einer halben Stunde gestützt bin.Tief atme ich nochmals und setzte für diese kurze, jedoch harte Boulderstelle an. Rechts Untergriff, links weit hoch, auf einen schmerzenden kleinen Zwischengriff, und nochmal mit links weiter ziehen und präzise auf ein kleines scharfes Loch, welches ich gerade eben verfehlt hatte. Augen zu und BÄM! Ich treffe es und bleibe hängen.
Ich erreichte den zweitletzten Standplatz und es fällt mir ein RIESIGER Stein vom Herzen. Jonas jubelt mit und Dank seiner motivierenden Zurufen ist es mir im letzten Licht des Tages gelungen, endlich Hotel Supramonte rotpunkt zu Klettern und die lange Geschichte zu beenden!